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Texte (2)

Stellungnahme zur Wandlung mancher Prediger in ihren Ansichten

 

Soll man Gelehrten und Rechtsschulen folgen?

Gibt es jemanden, der den Qur’ān und die Sunnah seines Propheten r besser versteht als die Ṣaḥābah? Ohne sie – die allerersten Gelehrten, die die Religion direkt von ihm r erlernten, ist ein gesundes Verständnis der islamischen Quellen nicht möglich. Kein Muslim mit gesundem Menschenverstand wird seine Geschwister dazu ermuntern, diese Gelehrten der ersten Generationen zu ignorieren.

Ibn Masʽūd h berichtet, dass der Prophet r sagte: „Die besten Menschen sind die aus meiner Generation, dann die, die ihnen folgen und dann jene, die diesen folgen.“ (Ṣaḥīḥ al-Buḫāriyy ohne Wiederholungen, Nr. 1154)

Die Imame und die Gelehrten der Rechtsschulen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft folgen genau diesem Prinzip.

 

Kann man den Islam ohne die Gelehrten nicht verstehen?

Um die große, klare Botschaft des Qur’ān zu verstehen – nämlich, dass es außer Aḷḷāh keinen Gott gibt – braucht man keine Gelehrte, denn dies verdeutlicht Aḷḷāh Selbst in Seinem Buch immer wieder.

Sobald es aber um Details geht, bspw. um die korrekte Durchführung eines Gottesdienstes, muss der Weg über die Gelehrten der Religion eingeschlagen werden. Aḷḷāh sagt: „Fragt doch die Leute der Ermahnung (nämlich die Gelehrten der Offenbarungen), wenn ihr (etwas) nicht wisst!“ (16:43)

Wenn ein Muslim diesen Weg nicht geht, sondern Bücher, Videos oder Vorträge im Internet als „Gelehrte“ nimmt, kann es geschehen, dass er etwas falsch versteht, bzw. denkt, es richtig verstanden zu haben, und dann stellt sich im Nachhinein heraus, dass dem nicht so war.

Der große Einfluss von Sektenführern und Predigern, die einen falschen Weg leiten, gründet darauf, dass ihre Anhänger – wie im Christentum oder anderen Religionen – nicht lesen und nichts hinterfragen. Dabei fordert uns Aḷḷāh im Qurʼān immer wieder auf, zu reflektieren. „Denkt ihr denn nicht nach?“ (6:50)

Deswegen versuchen wir bei unseren Geschwistern das Bewusstsein, ja den aufrichtigen Wunsch zu wecken, ihre Religion möglichst mit Beweisen zu lernen.

Leider sieht man immer wieder Prediger, die behaupten, den (einzig) richtigen Weg gefunden zu haben, und dann genau das tun, was sie anderen vorwerfen: Sie wenden sich dem Qurʼān zu, ohne Gelehrte herbeizuziehen.

Einer bestimmten Rechtsschule zu folgen ist allerdings nicht die Lösung aller Probleme: Welchen Teil der Rechtsschule? Und welchen ihrer Gelehrten? Den ʼAšāʽirah, Māturīdiyyah, Muʽtazilah (von der Sunnah abgewichene, aber in den Rechtsschulen vertretene ʽAqīdah-Schulen), oder den Sunniten?

 

Welches ist der Maßstab für richtig und falsch?

Rechtleitung ist keine emotionale Angelegenheit nach dem Motto: „Ich fühle mich jetzt gut“, „Ich fühle mich besser als vorher“, „mein Islam ist jetzt besser als vorher“.

Was lässt dich wissen, ob dich diese Gefühlen nicht täuschen? Manchmal ist gerade für Geschwister, die in nichtislamischen Umgebungen aufwachsen, das, was sie für Islam halten, nicht wirklich der Islam.

Der richtige Weg besteht deshalb darin, sein Urteil über religiöse Angelegenheiten am Qur’ān festzumachen – an Aḷḷāhs Buch, das sich nicht verändert – und an der authentischen Sunnah, die den Qur’ān erläutert, und an den Meinungen der Ṣaḥābah, die diese Quellen besser verstanden als alle, die nach ihnen kamen.

 

Kann man die muslimische Gemeinschaft verlassen? Wer beurteilt das?

Natürlich ist der Begriff „Muslim“ kein Etikett, das man sich auf Lebenszeit erkauft oder vererbt bekommt. Muslim zu sein bedeutet, sich Aḷḷāh zu ergeben. Das muss sich in den Aussagen und Handlungen eines Menschen niederschlagen. Ist dies nicht der Fall, verlässt derjenige möglicherweise die sunnitische Glaubensgemeinschaft, oder sogar den Islam. Was und wer zum Islam gehört und was und wer nicht, entscheidet allein Aḷḷāh. Die Gelehrten gründen ihre Urteile auf Seiner Entscheidung. Zu den wichtigsten Grundsätzen eines Muslims gehört, dass er bei Meinungsverschiedenheiten den Qur’ān und die Sunnah zum Richter nimmt. Das ist ein Zeichen für den Glauben:

„Seid ihr aber bei einer Sache nicht einig, dann bringt sie vor Aḷḷāh (d. h., konsultiert den Qur’ān) und den Gesandten (d. h., konsultiert die Sunnah), wenn ihr (wirklich) an Aḷḷāh und an den letzten Tag glaubt.“ (4:59)

Wenn ein Gelehrter auf dieser Basis jemanden vom Islam ausschließt, dann nicht, weil er Gott „spielt“, sondern weil er Gottes Gesetze anwendet.

 

Muslime vereinigen

Sicherlich ist es wünschenswert, dass die Ummah der Muslime zusammenfindet. Dies darf aber nicht um jeden Preis geschehen. Entweder wir einigen uns auf den Grundlagen der Religion – oder es gibt keine Einigung.

Man hört oft „Sag dies und jenes nicht, denn das spaltet!“ Ja, manches spaltet die Menschen – in richtig und falsch! Die Leute der Wahrheit kommen auf Basis der Wahrheit zusammen nicht, weil sie ein Label tragen, das sie vielleicht gar nicht verdienen. Soll man den Menschen nicht erklären, was Kufr und Širk ist, aus lauter Angst, jemanden zu Unrecht zu verurteilen? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

 

Zuschreibung einer negativen Eigenschaft

Wenn nun jemand sagt: „Ich war in meiner islamischen Vergangenheit überheblich, jetzt bin ich es nicht mehr“, dann schreibt er – bewusst oder unbewusst – diese Eigenschaft der Überheblichkeit der verlassenen Gruppe zu, erzeugt damit im Unterbewusstsein des Zuhörers ein Vorurteil und suggeriert, es wäre besser, sich von dieser Gruppe zu distanzieren.

Von der Richtigkeit einer Sache überzeugt zu sein, ist nicht Überheblichkeit. Lasst uns zum Propheten r zurückkehren und ihn r die Bedeutung von Überheblichkeit definieren:

„Überheblichkeit bedeutet, das Recht (d. h. das Recht Aḷḷāhs oder das Recht von Mitmenschen) zu missachten und die Menschen zu verachten.“ (Ṣaḥīḥ Muslim, Sunan ʼAbī Dāwūd 4092)

Ganz abgesehen davon gehören gute und schlechte Charaktereigenschaften wie bspw. Großzügigkeit und Überheblichkeit nicht zu einer bestimmten Gemeinschaft, sondern sind überall zu finden.

Dein Charakter ist schlecht und dein Herz verfinsterst sich, wenn du sündigst und nicht dem Propheten r folgst.

Wenn nun jemand sagt: „Ich fühle, dass ich jetzt recht habe, und die anderen, zu denen ich früher gehörte, liegen falsch“, dann sollte man nicht vergessen, dass ein Wandel der Ansichten nicht automatisch eine Verbesserung bedeutet.

Vielmehr muss man sich fragen: Haben sie sich zum Besseren oder zum Schlechteren verändert? Ist derjenige überzeugt von der Richtigkeit seiner – neuen – Einstellung? Falls ja – erliegt er dann nicht wieder derselben „Überheblichkeit“, derselben Tendenz, auf die „anderen“, diesmal auf die von „vorher“ als „nicht richtig“ hinabzuschauen ? Falls er nicht überzeugt wäre, würde es ja bedeuten, dass er an seiner neuen Überzeugung zweifelt...

Etwas Negatives zu erfinden und dieses einer bestimmten Gruppe zuzuschreiben, ist übrigens eine bekannte Sache: Bis heute wird bspw. unter den Schiiten das Vorurteil verbreitet, die Sunniten hätten die Familie des Propheten r benachteiligt und würden sie verabscheuen.

 

Bei vielen Themen gab es keine Meinungsverschiedenheit

Wir dürfen keine falschen Informationen verbreiten: Die Propheten q, die Ṣaḥābah j und die Tābi’īn hatten in Bezug auf die Grundlagen des Glaubens an die Namen und Eigenschaften Aḷḷāhs keine Meinungsverschiedenheiten. Wer ihnen darin nicht folgt, schweift von ihrem Weg ab. Wie kann jemand, der dies tut, noch als Sunnit bezeichnet werden?

Gerade in Fragen der ʽAqīdah bauen wir uns manchmal unsere Probleme selbst. Wir loben einen bestimmten Muslim, preisen ihn als Gelehrten, befördern ihn zum Großgelehrten, dann zum Imam, dann zu Ḥuǧǧat al-Islam. Es geht aber bei Gelehrten nicht um Bekanntheit, sondern um Argumente, und inwiefern sie unverfälscht aus den Quellen stammen. Egal,  wie bekannt jemand ist – seine Worte sind wertlos, wenn sie nicht zu den Aussagen der Gelehrten der ersten 3 Generationen passen. Und dazu passen bspw. die Abschweifungen der ʼAšāʽirah, der Māturīdiyyah und der Muʽtazilah ganz und gar nicht.

 

Der Einfluss von Medien und Behörden

Zu behaupten, die Daʽwah der Sunniten könne dazu führen, dass Muslime dazu verleitet werden, Menschen zu Unrecht zu töten, ist ein unhaltbares Vorurteil, ein beliebtes Klischee bei sogenannten „Islamkritikern“, die ihr Gift bei Medien und Behörden versprühen. Deswegen sollte man, gerade als Prediger, keine dieser Kampfbegriffe von Menschen verwenden, die die Muslime in gut und böse einteilen wollen.

Die Daʽwah der ʼAhlu-s-Sunnah auf Fehler einzelner Muslime oder auf falsche Sichtweisen zu reduzieren, dient nur bestimmten Klischees, mit denen man jede einzelne islamische Gruppierung in ein schlechtes Licht rücken könnte.

Die Auseinandersetzungen zwischen Anhängern verschiedener Religionen und Gruppierungen begannen übrigens schon 10 Generationen nach Adam n und sind für Konflikte meist ein bedeutenderer Faktor als der wirtschaftliche. So wurde auch der Prophet r damals nicht in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen bekämpft, sondern weil er den Tauḥīd predigte. Man bot ihm  ja sogar ein Vermögen an, das ihn zum reichsten Mann von Quraiš gemacht hätte! So schlug ʽUtbah dem Propheten r vor:

„O Mann, wenn es nur um deine Bedürfnisse geht, dann werden wir für dich sammeln, bis du der reichste Mann unter den Quraiš bist.“ (Ṣaḥīḥ as-Sīrah an-Nabawiyyah von ʼAlbāniyy)

Wir bitten Aḷḷāh darum, dass wir mit dem, was wir über Seine Religion äußern, nichts beabsichtigen, als Ihn allein zufriedenzustellen – keine Menschen,  keine Behörde, keine Medien, keinen Verfassungsschutz... Und wir bitten Aḷḷāh darum, dass wir unseren Glauben nicht nur in uns tragen, sondern ihn auch immer aufrichtig nach außen zeigen.

 

 Das Video zum Text:

 

Samstag, 07 November 2015 21:21

Fleisch aus Deutschland

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Fleisch aus Deutschland

Neil Bin Radhan

Inhaltsverzeichnis

Fleisch aus Deutschland  1

1           Anlass dieser Fatwā…   2

2           Beweislage  2

2.1        Bedeutung von „Ḏakāh“ (ذكاة)  2

2.2        Die Bedingungen für Ḏakāh   3

3           Resümee  4

4           Einwände und ihre Widerlegungen  5

4.1        Die ʼĀyah Māʼidah 5:5  5

4.2        Der ʼIǧmāʽ إجماع, dass die Tasmiyah beim Volk der Schrift keine Bedingung sei 7

4.3        Der Ḥadīṯ von ʽĀʼišah عائشة ك    7

4.4        Grundsätzlich ist doch alles Weltliche ḥalāl 9

4.5        Davon ausgehen, dass Aḷḷāhs Name erwähnt wurde  9

 

 

 

Mit dem Namen Aḷḷāhs, des Gnadenvollen, des Gnädigen! Aḷḷāhs Segen und Heil seien auf unserem Propheten Muḥammad r!

1       Anlass dieser Fatwā…

ist die andauernde Diskussion unter den muslimischen Geschwistern, ob man als Muslim in Deutschland ohne weiteres, Fleisch bei Metzgern, in Supermärkten u. ä. kaufen darf, auch wenn nicht nachgewiesen wird, dass es die Ḥalāl-Bedingungen erfüllt.

Manche Muslime erlauben solches Fleisch zu verzehren und werfen mit Ḥadīṯen und Grundregeln durch die Gegend, ohne diese wirklich zu verstehen, oder sie berufen sich auf Fatāwā (فتاوى, rel. Rechtsgutachten), die mit der hiesigen Situation nichts zu tun haben, und andere verbieten es.

2       Beweislage

2.1      Bedeutung von „Ḏakāh“ (ذكاة)

Unter „Ḏakāh“ versteht man sprachlich gesehen „Gutes“. Man verwendet den Begriff auch für „Schärfe (Ḥiddah حدة)“ und „Scharfsinn“ (arab. Farāsah فراسة), weswegen dieser Begriff auch für das Schlachten verwendet wird, bei dem nämlich scharfe Gegenstände verwendet werden.

Unter „Ḏakāh“ versteht man, religiös gesehen, die Schlachtung bestimmter Landtiere auf bestimmte Art und Weise. (aus „Fiqh Band über Nahrung“, noch nicht gedruckt)

Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass jedes Tier, das durch Ḏakāh zum Verzehr ḥalāl حلال wird, wie z. B. Kühe, Schafe und Hühner, vorher zum Verzehr grundsätzlich ḥarām حرام ist, es sei denn die entsprechenden Bedingungen für Ḏakāh sind erfüllt. Im Folgenden soll auf diese Bedingungen hingewiesen werden, ohne diese ausführlich zu erörtern, denn dies würde den Rahman der Fatwā sprengen:

2.2      Die Bedingungen für Ḏakāh

  • ʼAhliyyah (أهلية, Rechtsfähigkeit)

Dazu gehört in Bezug auf das Schächten, dass der Schächter Muslim, Christ oder Jude ist, denn Aḷḷāh erlaubte uns zusätzlich die Speise des Volkes der Schrift:

{وَطَعَامُ الَّذِينَ أُوتُواْ الْكِتَابَ حِلٌّ لَّكُمْ}

„Und die Speise derjenigen, denen die Schrift gegeben wurde, ist euch erlaubt.“ (5:5)

Alle anderen Andersgläubigen, wie die Rāfiḍīten (رافضة, Zwölferimamiten الإمامية, Dschafariten جعفرية), ʼAḥmadiyyah أحمدية (= Qādyāniyyah القاديانية), Buddhisten بوذية, oder Menschen, die gar nicht an Gott glauben (Atheisten ملاحدة) – das von ihnen geschlachtete Tier ist in jedem Fall ḥarām.

Bei einem Muslim gehen wir davon aus, dass er seine Religion hinsichtlich der fünf Säulen praktiziert. Ansonsten ist die ᾽Ahliyyah bei Personen, die sich nur zum ʼIslām bekennen, ihre Religion aber nicht praktiziert, nicht erfüllt.

  • Werkzeug

Das zum Schlachten verwendete Werkzeug muss ein scharfer Gegenstand sein, denn der Gesandte Aḷḷāhs r sagte:

مَا أَنْهَرَ الدَّمَ وَذُكِرَ اسْمُ اللَّهِ عَلَيْهِ فَكُلُوا

„Alles, was das Blut zum Fließen bringt, und worüber Aḷḷāhs Name erwähnt wurde, dürft ihr essen!“ (Alle sechs)

  • Durchtrennung von Kehle, Speiseröhre und den beiden Halsadern.

Wenn alle vier durchtrennt werden, ist es bei allen Gelehrten einwandfrei, andere erlauben auch nur einen Teil dieser vier.

  • Tasmiyah تسمية (den Namen Aḷḷāhs erwähnen) beim Schlachten

Aḷḷāh sagte:

{وَلاَ تَأْكُلُواْ مِمَّا لَمْ يُذْكَرِ اسْمُ اللّهِ عَلَيْهِ وَإِنَّهُ لَفِسْقٌ}

 „Und esst nicht von dem, worüber der Name Allahs nicht ausgesprochen worden ist. Das ist wahrlich Frevel.“ (6:121)

In der Sunnah heißt es im Ḥadīṯ von ʽAdiyy Ibn Ḥātim t:

إِذَا سَمَّيْتَ فَكُلْ وَإِلَّا فَلَا

„Wenn du den Namen (Aḷḷāhs) erwähnt hast, dann iss (ruhig davon), ansonsten nicht.“ (Buḫāriyy, Muslim. Wortlaut aus ʼAbū Dāwūd)

Die Fallunterscheidung, ob man die Tasmiyah absichtlich oder aus Versehen weggelassen hat, erübrigt sich, da das Vergessen ein Einzelfall ist und grundsätzlich Aḷḷāhs Name absichtlich erwähnt oder weggelassen wird. Folglich sind die meisten Gelehrten der Ansicht, dass die Tasmiyah bei muslimischen Schächtern Voraussetzung ist. Wenn diese Bedingung bei Muslimen gestellt wird, soll sie dann etwa bei Nichtmuslimen entfallen, wie nach manchen Gelehrten, wie Ibn al-῾Arabiyy?!

Aus diesen vier Bedingungen schlussfolgern wir: Sollte eine dieser Bedingungen nicht erfüllt sein, ist das Fleisch zum Verzehr ḥarām.

3       Resümee

Auf Deutschland bezogen können wir davon ausgehen, dass zumindest die vierte Bedingung nicht erfüllt ist, wenn ein Durchschnittsdeutscher ein Tier schlachtet. Wir können davon ausgehen, dass er beim Schlachten weder „im Namen Aḷḷāhs“ (بسم الله), „im Namen Gottes“, „mit dem Namen Aḷḷāh“ o. ä. spricht. Weder fordert dies der Gesetzgeber noch ist dies gang und gebe. Und sollten Schächter dies vereinzelt tun, kann man dies nicht auf alle anderen verallgemeinern.

Es sei darauf hingewiesen, dass in dieser Fatwā فتوى nicht auf alle anderen Bedingungen eingegangen und inwiefern sie erfüllt wurden oder nicht. Auch wurden Methoden der Betäubung, wie etwa Stromschläge, Gas oder Bolzen nicht untersucht.

4       Einwände und ihre Widerlegungen

4.1      Die ʼĀyah Māʼidah 5:5

Einwand: Aḷḷāh sagte doch:

{وَطَعَامُ الَّذِينَ أُوتُواْ الْكِتَابَ حِلٌّ لَّكُمْ}

„Und die Speise derjenigen, denen die Schrift gegeben wurde, ist euch erlaubt.“ (5:5)

Daraus ergibt sich, dass man das von Juden und Christen geopferte Fleisch essen darf, denn mit Speise ist das von ihnen geschächtete Fleisch gemeint, und Aḷḷāh hat in dieser ʼĀyah außer dem Glauben des Schächters keine weitere Bedingungen gestellt.

Widerlegung:

Erstens: Auch wenn in dieser ʼĀyah keine weiteren Bedingungen gestellt werden, bedeutet das nicht, dass nicht an anderer Stelle weitere Bedingungen gestellt werden. Und es gilt alle Überlieferungen in Bezug auf ein zu untersuchendes Thema zu betrachten und nicht nur eine einzige, um zu einem korrekten Ergebnis zu gelangen. So sagte Aḷḷāh:

{وَلاَ تَأْكُلُواْ مِمَّا لَمْ يُذْكَرِ اسْمُ اللّهِ عَلَيْهِ وَإِنَّهُ لَفِسْقٌ}

 „Und esst nicht von dem, worüber der Name Allahs nicht ausgesprochen worden ist. Das ist wahrlich Frevel.“ (6:121)

In dieser ʼĀyah hat Aḷḷāh keinen Unterschied zwischen einem Muslim, Juden, Christen oder anderen Menschen gemacht. Wenn Aḷḷāhs Name nicht erwähnt wurde, ist das Fleisch gemäß dieser ʼĀyah ḥarām.

Zweitens: In Bezug auf einen Juden und Christen keine Bedingungen zu stellen und sich mit seiner Religion als Schächter zu begnügen wüde bedeuten, dass man beim Thema „Schächten“ einem Juden und Christen einen Vorzug gegenüber einen Muslim gibt, denn einem Muslim stellt man Bedingungen, einem Juden und Christen hingegen nicht!

Drittens: Der Grund, warum Aḷḷāh uns das von Juden und Christen geschlachtete Tier erlaubt ist, liegt ja gerade an zweierlei: zum einen, weil sie eine Religion haben, die ursprünglich von Gott stammt, zum anderen, weil sie ihre Tiere nach bestimmten Regeln opferten, d. h. auf einen Seite für Gott und niemand anderes und auf der anderen Seite nach bestimmten Regeln. Einer der stärksten Beweise dafür ist der folgende Ḥadīṯ von Rāfiʽ Ibn Ḫadīǧ t, in dem er sagte:

أَتَيْتُ رَسُولَ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ فَقُلْتُ يَا رَسُولَ اللَّهِ إِنَّا نَلْقَى الْعَدُوَّ غَدًا وَلَيْسَ مَعَنَا مُدًى أَفَنَذْبَحُ بِالْمَرْوَةِ وَشِقَّةِ الْعَصَا فَقَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ أَرِنْ أَوْ أَعْجِلْ مَا أَنْهَرَ الدَّمَ وَذُكِرَ اسْمُ اللَّهِ عَلَيْهِ فَكُلُوا مَا لَمْ يَكُنْ سِنًّا أَوْ ظُفْرًا وَسَأُحَدِّثُكُمْ عَنْ ذَلِكَ أَمَّا السِّنُّ فَعَظْمٌ وَأَمَّا الظُّفْرُ فَمُدَى الْحَبَشَةِ

„Ich ging einmal zum Gesandten Aḷḷāhs r und sagte: ‚Oh Gesandter Aḷḷāhs! Morgen werden wir auf den Feind treffen und wir haben keine Messer. Dürfen wir mit einem Kiesel oder der Kante eines Stockes schlachten?‘ Da sagte der Gesandten Aḷḷāhs r: ‚Mach es schmerzlos und schnell! Alles, was das Blut zum Fließen bringt und worüber Aḷḷāhs Name erwähnt wurde, dürft ihr essen, es sei denn es handelt sich um einen Zahn oder Nagel! Und darüber werde ich euch berichten: Was den Zahn angeht, so ist er (eine Art) Knochen. Und was den Nagel angeht, so ist es die Messerart der Abessinier.‘“ (B, M, N, T, D, H)

Die Abessinier waren Christen und dennoch hat der Gesandte Aḷḷāhs r das von ihnen mit Nägeln getötete Tier nicht erlaubt. Auch wenn es hier um das Werkzeug geht, so resultiert aus diesem Ḥadīṯ eindeutig, dass es nicht nur um ihre Religion geht, und dass es nicht ausreicht zu sagen: „Der Schächter war Jude, Christ oder Muslim.“

Viertens: Wer sich an die allgemeine ʼĀyah 5:5 hält, müsste auch den Verzehr von Schweinefleisch erlauben, denn dieser gehört zur Speise der Christen. Genauso wie man das Schweinefleisch aufgrund einer anderen ʼĀyah ausnimmt, muss man auch die Tasmiyah تسمية aufgrund einer anderen ʼĀyah als Bedingung stellen, sonst käme man in Widersprüche.

Dasselbe gilt übrigens parallel für den Wein bzw. Alkohol: Getränke werden sprachlich auch als Ṭa῾ām طعام („Nahrung“) bezeichnet und hielte man sich an die allgemeine Bedeutung der ʼĀyah, müsste man auch den Alkohol des Volkes der Schrift erlauben.

4.2      Der ʼIǧmāʽ إجماع, dass die Tasmiyah beim Volk der Schrift keine Bedingung sei

Manche wenden ein, die Gelehrten seien sich darüber einig, dass das von einem Juden oder Christen geschlachtete Tier ḥalāl sei, selbst wenn Aḷḷāhs Name nicht beim Schlachten erwähnt würde. Sie berufen sich dabei auf die Aussage von Ibn ῾Abd al-Barr (gest. 463 n. H.) in al-Istiḏkār الاستذكار 5/250:

وَقَدْ أَجْمَعُوا فِي ذَبِيحَةِ الْكِتَابِيِّ أَنَّهَا تُؤْكَلُ وَإِنْ لَمْ يُسَمِّ اللَّهَ عَلَيْهَا إِذَا لَمْ يُسَمِّ عَلَيْهَا غَيْرَ اللَّهِ

„Sie sind sich in Bezug auf ein geschlachtetes Tier seitens eines Kitābiyy كتابي in der Hinsicht einig, dass es verzehrt werden darf, selbst wenn Aḷḷāhs Name darüber nicht erwähnt wurde, sofern kein anderer als Aḷḷāh genannt wurde.“

Doch richtigerweise gibt es keinen ʼIǧmāʽ, denn Ibn Qudāmah ابن قدامة (gest. 620 n. H.) sagte in al-Muġnī المغني 9/402:

فَالتَّسْمِيَةُ مُشْتَرَطَةٌ فِي كُلِّ ذَابِحٍ مَعَ الْعَمْدِ، سَوَاءٌ كَانَ مُسْلِمًا أَوْ كِتَابِيًّا، فَإِنْ تَرَكَ الْكِتَابِيُّ التَّسْمِيَةَ عَنْ عَمْدٍ، أَوْ ذَكَرَ اسْمَ غَيْرِ اللَّهِ، لَمْ تَحِلَّ ذَبِيحَتُهُ. رُوِيَ ذَلِكَ عَنْ عَلِيٍّ.

وَبِهِ قَالَ النَّخَعِيُّ، وَالشَّافِعِيُّ، وَحَمَّادٌ، وَإِسْحَاقُ، وَأَصْحَابُ الرَّأْيِ.

„Die Tasmiyah ist somit eine Bedingung für jeden Schächter, obgleich Muslim oder Kitābiyy. Unterlässt ein Kitābiyy die Tasmiyah absichtlich oder erwähnt er den Namen eines anderen als Aḷḷāh, ist sein Schlachttier nicht ḥalāl. Dies wird über ʽAliyy t überliefert und ist die Ansicht von an-Naḫa῾iyy النخعي, aš-Šāfi῾iyy الشافعي, Ḥammād حماد, ʼIsḥāq إسحاق und ᾽Aṣḥāb ar-Ra᾽ī أصحاب الرأي.“

4.3      Der Ḥadīṯ von ʽĀʼišah عائشة ك

Einwand: Der folgende Ḥadīṯ weist darauf hin, dass man, wenn man nicht weiß, ob Aḷḷāhs Name beim Schlachten erwähnt wurde oder nicht, davon ausgehen darf, dass er erwähnt wurde.

عَنْ عَائِشَةَ أَنَّهُمْ قَالُوا

يَا رَسُولَ اللَّهِ إِنَّ قَوْمًا حَدِيثُو عَهْدٍ بِالْجَاهِلِيَّةِ يَأْتُونَ بِلُحْمَانٍ لَا نَدْرِي أَذَكَرُوا اسْمَ اللَّهِ عَلَيْهَا أَمْ لَمْ يَذْكُرُوا أَفَنَأْكُلُ مِنْهَا فَقَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ سَمُّوا اللَّهَ وَكُلُوا

ʽĀʾišah sagte: „(Manche Leute) sagten: ‚Oh Gesandter Aḷḷāhs! Leute, die erst vor Kurzem in den ʾIslām eingetreten sind, bringen uns Fleisch, von dem wir nicht wissen, ob sie Aḷḷāhs Namen darüber erwähnt haben oder nicht. Sollen wir davon essen?‘ Da sagte der Gesandte Aḷḷāhs r: ‚Erwähnt Aḷḷāh(s Namen) und esst!‘“ (Buḫāriyy, Nasāʼiyy, Ibn Māǧah. Wortlaut aus ʼAbū Dāwūd)

Zudem ist dieser Ḥadīṯ ein Hinweis darauf, dass die Erwähnung des Namen Aḷḷāhs auch beim Essn nachträglich ausreicht.

Widerlegung:

Erstens: Der Ḥadīṯ handelt von Muslimen und nicht vom Volk der Schrift und folglich lässt er sich in zweierlei Hinsicht nicht auf unsere Situation in Deutschland übertragen. Zur Verdeutlichung:

Wie aus anderen Versionen des Ḥadīṯes, z. B. in Ṣaḥīḥ al-Buḫāriyy صحيح البخاري, hervorgeht, waren die besagten Muslime zuvor Götzendiener. Mit anderen Worten: Wenn sie schlachteten, schlachteten sie im Namen Aḷḷāhs und ihrer anderer Götter, wie es unter den damaligen Götzendiener gang und gebe war. Nun, nachdem sie den ʼIslām angenommen haben, zweifelten die Ṣaḥābah صحابة, ob sie Aḷḷāhs Namen erwähnt haben oder nicht. Selbstverständlich kann man davon ausgehen, dass jene Muslime nach der Annahme des ʼIslām keine Götzen neben Aḷḷāh mehr erwähnten, sondern nur noch Aḷḷāh alleine. Dementsprechend war auch die Antwort des Gesandten Aḷḷāhs r.

Zweitens: Die Aussage des Propheten r „Erwähnt Aḷḷāh(s Namen) und esst!“ bezieht sich auf die Erwähnung Aḷḷāhs vor dem Essen allgemein, indem man „Bismillāh بسم لله“ sagt und dann anfängt zu essen und hat nichts mit der Tasmiyah beim Schlachten zu tun, wie ʼImām as-Suyūṭiyy السيوطي in seiner Erläuterunng zu Sunan Ibn Māǧah سنن ابن ماجة sagte und an-Nawawiyy النووي in seiner Erläuterung zu Ṣaḥīḥ Muslim.

4.4      Grundsätzlich ist doch alles Weltliche ḥalāl

Einwand: Wir haben doch gelernt, dass im Bereich der ʽIbādah (Gottesdienste) gilt: „Alle Formen der Annäherungen an Aḷḷāh sind ḥarām, es sei denn sie sind uns überliefert worden, wie das Ṣalāh صلاة.“ Bei weltlichen Dingen gilt doch, dass alles grundsätzlich ḥalāl ist, es sei denn es wurde uns verboten, denn Aḷḷāh sagte:

{وَسَخَّرَ لَكُم مَّا فِي السَّمَاوَاتِ وَمَا فِي الْأَرْضِ جَمِيعًا مِّنْهُ}

„Und Er hat euch alles, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, dienstbar gemacht,  alles  von  Sich  aus.“ (45:13)

Widerlegung: Diese Regel ist zwar richtig, aber nicht bedingungslos.

Das soll an an einem einfachen Beispiel dargelegt werden: Frauen zu heiraten ist grundsätzlich ḥalāl. Aber bedeutet dies, dass man jede Frau ohne Bedingung heiraten darf?! Sicherlich nicht, denn sie darf nicht schon verheiratet sein, man darf für sie kein Maḥram مَحْرَم sein u. v. m.

Folglich gilt für das Fleisch von Tieren: Man darf das Fleisch jeden Tieres essen, sofern es nicht verboten wurde, und sollte es ein Tier sein, das geschlachtet wird, muss man die Ḏakāh-Bedingungen erfüllen.

4.5      Davon ausgehen, dass Aḷḷāhs Name erwähnt wurde

Wir haben vier Fälle:

Fall 1: Wir wissen, dass Aḷḷāhs Name nicht erwähnt wurde.

Fall 2: Aḷḷāhs Name wurde eher nicht erwähnt.

Fall 3: Aḷḷāhs Name wurde zu 50% erwähnt.

Fall 4: Wir sind davon überzeugt, dass Aḷḷāhs Name erwähnt wurde.

Fall 5: Wir wissen, dass Aḷḷāhs erwähnt wurde.

Die Fälle 1 und 5 entfallen, weil wir nicht bei der Schlachtung dabei sind und auch niemanden kennen, der dabei ist.

Der Fall 4 ist unwahrscheinlich, denn damit dieser zutrifft, müsste es meistens der Fall sein, dass die Schächter Aḷḷāhs Name erwähnen.

Folglich bleiben noch die Fälle 2 und 3 übrig.

Für Fall 3 haben wir einen expliziten Ḥadīṯ: ʽAdiyy Ibn Ḥātim t fragte den Gesandten Aḷḷāhs r über das Fleisch von Tieren, die von seinem Jagdhund erledigt wurden, da antwortete er r:

إِذَا سَمَّيْتَ فَكُلْ وَإِلَّا فَلَا تَأْكُلْ وَإِنْ أَكَلَ مِنْهُ فَلَا تَأْكُلْ فَإِنَّمَا أَمْسَكَ لِنَفْسِهِ

„Wenn du (Aḷḷāhs) Name erwähnt hast, dann darfst du davon essen, ansonsten nicht. Und wenn er davon gefressen hat, dann iss nicht davon, denn in diesem Fall hat er es für sich selbst gefasst.“

Danach fragte ʽAdiyy t weiter:

أُرْسِلُ كَلْبِي فَأَجِدُ عَلَيْهِ كَلْبًا آخَرَ فَقَالَ لَا تَأْكُلْ لِأَنَّكَ إِنَّمَا سَمَّيْتَ عَلَى كَلْبِكَ

„Was ist, wenn ich meinen Hund losschicke, danach aber einen anderen dort vorfinde?“ Er antwortete: „Dann darfst du nicht davon essen, denn du hast (Aḷḷāhs) Namen nur für deinen Hund erwähnt.“ (Alle sechs)

  1. h. die Beute wurde zu 50% von seinem und zu 50% vom fremden Hund erledigt und dennoch verbot ihm der Prophet r das Fleisch, denn eine Regel lautet: „Zweifel an einer Ruḫṣah رخصة zwingen einen, zum Ursprung zurückzukehren“ (aš-Šakku fir-Ruḫaṣi yūǧibur-Ruǧūʽa ʼilal-ʼAṣl الشك في الرخص يوجب الرجوع إلى الأصل). Eine Ruḫṣah ist eine Erlaubnis.

Zurück zu unseren 5 Fällen: Wenn schon der Fall 3 nicht erlaubt ist, dann der Fall 2 erst recht nicht und letzterer ist unsere Situation in Deutschland.

Möge Aḷḷāh nur Ḥalāl-Nahrung in unsere Körper gelangen lassen und uns vergeben, was wir an Verbotenem zu uns genommen haben, nehmen und nehmen werden.

Geschrieben von: Neil Bin Radhan, 26.08.2015